Leitartikel

Wahl zur Delegiertenversammlung beim ÄKBV München, Gestalten Sie mit!

Warum wählen? Und was erlebt man als Delegierter und Vorstand im ÄKBV? Nach 36 Jahren Arbeit als Delegierter kandidiert Dr. Christoph Emminger dieses Jahr nicht mehr. Im Interview mit den MÄA berichtete er von seinen Erlebnissen – und gab Ratschläge an künftige neue Kolleginnen und Kollegen.
Wahl zur Delegiertenversammlung beim ÄKBV München, Gestalten Sie mit!
Wahl zur Delegiertenversammlung beim ÄKBV München, Gestalten Sie mit!

Foto: shutterstock

 

Herr Dr. Emminger, wie lange waren Sie Delegierter, im Vorstand und schließlich Vorsitzender beim ÄKBV?

Nach meinen Unterlagen bin ich bereits 1986 erstmalig als Delegierter und Vertreter der Krankenhaus-Ärztinnen und-Ärzte in den ÄKBV gewählt worden. Das war damals die erste Delegierten-Wahl – in den Jahren davor gab es ausschließlich Vorstand und Mitgliederversammlungen. Mein „erster Vorsitzender“ war Hartwig Holzgartner. Nach relativ kurzer Zeit bin ich wegen einer heftigen politischen Kontroverse aus diesem Vorstand zurückgetreten. Danach bin ich als dritter Vorsitzender unter Detlef Kunze wieder in den Vorstand gewählt worden. Zwischenzeitlich wurde auch die Amtsperiode des Vorstands von vier auf fünf Jahre verlängert. Im Januar 2008 trat ich erstmalig die Aufgaben des ersten Vorsitzenden des ÄKBV München an. 36 Jahre als Delegierter des ÄKBV wie auch des bayerischen Ärztetags, mindestens 25 Jahre Arbeit im Vorstand des ÄKBV und 15 Jahre als ÄKBV-Vorsitzender sind die quantitative Bilanz meines berufspolitischen Engagements. Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen in München und den Delegierten des ÄKBV dankbar für das über Jahre hinweg anhaltende Vertrauen in meine Arbeit und mir gegenüber.  

Was hat Sie dazu bewogen, sich in der Berufspolitik und insbesondere beim ÄKBV zu engagieren? Gab es Vorbilder?

Für den Beginn meines berufspolitischen Engagements tragen zwei Kollegen aus dem Klinikum Schwabing die „Verantwortung“. Sie haben mich gedrängt und bearbeitet, meine Funktionen als Assistentensprecher der Städtischen Kliniken Münchens in den ÄKBV hinein auszudehnen. Jeglicher Einspruch wurde von ihnen mit der Aussage weggewischt: „Du machst das jetzt“. ÄKBV und Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) aber lagen schon allein örtlich nahe bei einander. Dass die beiden klinischen Kollegen mich zum berufspolitischen Engagement motivieren konnten, zeigt schon, dass sie in gewisser Hinsicht auch Vorbilder für mich waren. Hans Hegge war sicher für mich eine berufspolitische Leitfigur. Ich habe ihn noch als ÄKBV-Vorsitzenden in einer Mitgliederversammlung und in seinen Perioden als Präsident der BLÄK erlebt. Wir waren auf der gleichen Wellenlänge, und es entwickelte sich daraus auch eine enge kollegiale Freundschaft, wofür ich ihm zeitlebens immer sehr dankbar war. 

Was waren die Highlights Ihrer Arbeit, was die Herausforderungen?

Mit den Highlights ist das ja so eine Sache. In Bayern gilt immer noch der Satz „net g`schimpft ist g`lobt gnua“. Wenn ich nach echten Highlights suchen müsste, dann waren das sicherlich die Festabende im Rahmen der Bayerischen Ärztetage, die alle zehn Jahre in München stattfinden. Ich hatte die Gelegenheit, zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen zwei solche Festabende zu planen und zu organisieren: Das erste Mal am Nockherberg mit den „Biermösl Blosn“, das zweite Mal im Augustinerkeller mit dem Kabarettisten Wolfgang Krebs. Der Abend ging in eine rauschende Tanznacht über. Herausforderungen gab es in den letzten 15 Jahren für uns genug. Wir wollten dem ÄKBV einen neuen Anstrich geben – weg von der bisherigen, klassischen Behörde hin zu einer modernen Dienstleistungsorganisation für die Münchner Kolleginnen und Kollegen. Die Suche und die Einstellung einer neuen Geschäftsführerin als Nachfolgerin von Herrn Schmerber erwies sich bis zum heutigen Tag als ein sehr großer Erfolg. Auch für Herrn Rupp fanden wir nach 35 Jahren Tätigkeit für den ÄKBV eine hervorragende Nachfolgerin. An dieser Stelle möchte ich gerne darauf aufmerksam machen, dass wir inzwischen eine Gruppe von Mitarbeiterinnen für den ÄKBV gefunden haben, die hervorragende Arbeit leistet, hochmotiviert, loyal und mitgliederorientiert ist und nach meiner Ansicht die vielfältigen Erwartungen unserer Mitglieder an den ÄKBV kompetent erfüllt.  Einen neuen Anstrich bekamen auch unsere Münchner Ärztlichen Anzeigen (MÄA). Nach langwierigen, schwierigen und bisweilen unschönen Verhandlungen fanden wir einen neuen Verlag, der mit uns zusammen Inhalt und Layout der MÄA gestaltet. Dabei hat sich gezeigt, dass die neue MÄA für den ÄKBV deutlich kostengünstiger als zuvor an die Mitglieder versandt werden kann. Welche Aufgaben eine ärztliche Berufsvertretung im Format einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdÖR) zu erfüllen hat, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 des Heilberufe Kammergesetzes (HKaG). Am Beispiel der Mitwirkung an der öffentlichen Gesundheitsversorgung lassen sich am ehesten die besonderen Anforderungen an Vorstand und Geschäftsstelle des ÄKBV zeigen. Dass zeitweilig bis zu sieben Ausschüsse gleichzeitig tagten, macht das Engagement vieler Mitglieder der Delegiertenversammlung, der Geschäftsstelle und des Vorstands deutlich. Es wurden Themen diskutiert wie die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, die medizinische Versorgung von Flüchtlingen in München, Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Klinikärztinnen und -ärzten sowie niedergelassenen Kollegen und vieles mehr. Auch wenn einzelne Ausschüsse eine Eigendynamik und ein Eigenleben entwickelten, so gelang es uns doch, Ausschussthemen mit einem zusammenfassenden Bericht zu einem Abschluss zu bringen. Im gleichen Sinn ist die intensive Mitwirkung in den Gremien des Gesundheistbeirats der Landeshauptstadt München zu verstehen, wodurch sich der ÄKBV zwischenzeitlich eine von allen Seiten respektierte Position erarbeiten konnte. Die Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten zu „überwachen“ ist ein Schnittstellenthema zwischen Medizin und Jurisprudenz. Für uns war dies vorwiegend ein Angebot an die Kolleginnen und Kollegen, bei Auseinandersetzungen mit juristischem Sachverstand zu vermitteln – zum Beispiel innerhalb der Ärzteschaft, aber auch zwischen den Ärztinnen und Ärzten sowie ihren Patientinnen und Patienten. Für mich persönlich war dieses Thema eine besondere Leidenschaft. Dass manchmal auch unangenehme, für die Kolleginnen und Kollegen eher kostspielige, Entscheidungen getroffen werden mussten, ließ sich nicht völlig vermeiden. Glücklicherweise gehört es nicht zu den Aufgaben eines Bezirksverbands, die ärztliche Approbation zu entziehen oder ruhend zu stellen. Bei den umfangreichen Fortbildungsangeboten aus Münchner Kliniken beschränkte sich der ÄKBV auf Querschnittsthemen wie bspw. Hygiene und ambulantes Operieren, Depression, lebensbedrohliche Einsatzlagen, forensische Leichenschau und sogenannte Refresher-Kurse für Mitglieder nach Wiedereinstieg in den KV-Bereitschaftsdienst. Münchner Delegierte des ÄKBV wirkten intensiv – auch initiativ – mit, wenn die Belange der Ärzteschaft auf Bayerischen oder Deutschen Ärztetagen zu vertreten waren. Nicht zuletzt ist der ÄKBV der einzige Kreisverband in Bayern, der seine Mitgliederakten (ca. 21.000) bereits vollständig digitalisiert hat. Dies erleichtert unseren Mitarbeiterinnen und uns die Arbeit und hilft, Ressourcen einzusparen. Ich hoffe sehr, dass auch dieser „Zug" im ÄKBV weiterfahren können wird.

Was haben Sie daraus gelernt?

 Die Beschäftigung mit dem ärztlichen Berufsrecht im Sinne einer Dienstleistung und weniger in Form von Kontrolle, Aufsicht oder Überwachung war für mich sehr befriedigend und sinnvoll. Insgesamt war es wichtig, dabei nicht die eigenen Vorstellungen in den Vordergrund zu stellen, sondern auf die Belange der Ärzteschaft, auf deren Wünsche und gesundheitspolitische Vorstellungen einzugehen. Strittige Diskussionen zu moderieren und nach Konsensbildung die Entscheidungen auch umzusetzen, war angesichts der hohen Zahl an Kolleginnen und Kollegen in München und deren unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven nicht immer ganz einfach.

Wie hat sich die Arbeit im Laufe der Zeit verändert?

An dieser Stelle muss eines hervorgehoben werden: Die vielfältigen Aufgaben des ÄKBV ließen und lassen sich nur mit loyalen und am gemeinsamen Ziel arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewerkstelligen — und mit Vorstandsmitgliedern, die sich aktiv einbringen und Themen bearbeiten. Meine Erfahrungen in der Personalgewinnung und -führung aus meiner klinischen Zeit kamen mir dabei sehr zugute. Erfahrungen in Personalauswahl, -führung und -motivation sind heute meines Erachtens wichtige Qualitäten bei der Funktion des/der Vorsitzenden. Den hier Angesprochenen bin ich für ihr Engagement und ihre Mitwirkung zu großem Dank verpflichtet.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so wichtig, dass sich Ärztinnen und Ärzte in der Berufspolitik engagieren?

Es ist auch heute nicht ganz einfach, Kolleginnen und Kollegen für die vielfältigen Aufgaben einer Berufspolitik in den ärztlichen Körperschaften zu gewinnen. Die Politik hat der Ärzteschaft zwar im Format einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts die Aufgabe übertragen, viele ihrer Belange selber zu regeln. Wir merken heute jedoch, dass sich die Politik regulierend und mit Vorgaben immer intensiver in die Belange der Ärzteschaft einmischt, ohne dass dies zwingend zum Vorteil für die Ärzteschaft, unsere Patientinnen und Patienten oder die (noch) hohe Qualität unseres Gesundheitssystems wäre. Zusätzlich kommt es immer mehr zu einer Einschränkung des „freien ärztlichen Berufs“. Solange wir noch die Möglichkeit der Mitwirkung und Gestaltung haben, sollten wir dies mithilfe gewählter Vertreterinnen und Vertreter intensiv nutzen. Das gilt im Übrigen für den ÄKBV ebenso wie für die BLÄK.

Was würden Sie neuen Kolleginnen und Kollegen gerne mit auf den Weg geben?

Natürlich könnte ich den neuen und jüngeren Kolleginnen und Kollegen nach der Wahl an vielen Punkten mit Rat zur Seite stehen, falls dieses gewünscht wäre. 

Aber einige Punkte sollten hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit schon erwähnt werden: Der ÄKBV sollte mehr Dienstleistungsunternehmen als eine Behörde sein. Die primären Aufgaben einer ärztlichen Körperschaft sind daher meines Erachtens nicht primär Aufsicht, Kontrolle und Eingriffe von oben, sondern Beratung und Unterstützung der Kollegenschaft. Und das ärztliche Berufsrecht als innerörtlicher Codex, verfasst in der Berufsordnung, sollte im Zentrum unserer berufspolitischen Ausrichtung stehen. Ein wichtiger Teil der Unterstützung für diese vielfältigen Aufgaben kommt aus einer mitarbeiterorientierten Führung der Geschäftsstelle, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wertschätzung durch ihren Arbeitgeber bekommen und spüren. 

Was sind Ihre Pläne nach Ende Ihrer aktiven Zeit?

Wie schon andernorts gesagt, gibt es für mich auch ein Leben nach dem Arzt-Sein. Die vergangenen drei Jahre, insbesondere das Jahr 2020, waren für mich außergewöhnlich schwer und haben mich die Grenzen menschlichen Lebens spüren lassen. Ich komme aus einer sehr großen Familie und bin auch in eine sehr große Familie meiner Frau positiv eingebunden. Das bedeutet für mich: Das Leben mit der Familie, einzelne Hobbys, insbesondere aber die Beschäftigung mit der Musik werden diesen neuen Lebensabschnitt für mich befriedigend ausfüllen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft – für Ihre eigene und für die des ÄKBV?

Meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger im ÄKBV wünsche ich Wohlergehen und eine glückliche Hand bei der Vertretung und Bearbeitung der ärztlichen Belange in München. Für mich selber wünsche ich mir Gesundheit und Wohlergehen für die kommenden Jahre. Und für unser Land, für Europa, erhoffe ich mir wieder friedlichere Lebenswelten als wir sie derzeit durchstehen müssen.

Das Interview führte Stephanie Hügler

MÄA Nr. 22 vom 22.10.2022