Leitartikel

Welt im Wandel Eröffnung des 121. Deutschen Ärztetags in Erfurt

Sich auf Einigung, nicht auf Trennung zu fokussieren – dazu riefen sowohl Bundesärztekammer -Präsident Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery als auch der neue Gesundheitsminister Jens Spahn auf. Bei der Eröffnung des 121. Deutschen Ärztetags am 8.5. in Erfurt wurde denn auch auf politische Differenzen hingewiesen – noch mehr aber auf Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft. Denn schließlich erwarte uns eine Welt im Wandel, wie Montgomery betonte. Und diese verlange eine Fokussierung auf das Wesentliche.

Wesentlich erschien Montgomery natürlich der Koalitionsvertrag. Und hierzu äußerte er dann doch deutliche Kritik: Die vorgesehene Erhöhung der Pflichtsprechstundenzahl bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sei „eher stimmungs- als weltverändernd“. Der neue Gesundheitsminister selbst habe die Mitarbeiter im Gesundheitswesen als „Helden des Alltags“ bezeichnet. Helden aber müsse man auch als solche behandeln. Mehr als die Ärzteschaft müsse man die Patienten steuern, sodass Arztstunden denen zu Gute kämen, die sie wirklich benötigen.

Wissensnachweis bei ausländischen Ärzten

Da Arztstunden wie Ärzte knapp geworden seien, brauche es vor allem mehr Studienplätze. Noch mehr Ärzte aus dem Ausland zu importieren sei schwierig – nicht nur, weil man damit die Herkunftsländer der Kolleginnen und Kollegen schädige, sondern auch, weil derzeit 75 Prozent aller Berufserlaubnisse und Approbationen lediglich aufgrund von Zeugnissen und einer kurzen Kenntnisprüfung erteilt würden. In der Folge beschloss der Ärztetag, Menschen“, verwies Montgomery auf den Mangel an Pflegekräften. Die Pflege brauche Tarifverträge und -bindungen. Tarifsteigerungen müssten für alle Gesundheitsberufe, auch für die Ärzteschaft, voll refinanziert werden. Klare Verhältnisse forderte Montgomery auch im Hinblick auf den § 219a im Strafgesetzbuch, der die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Betroffene Frauen müssten besser an erforderliche Informationen gelangen, Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit erhalten. Eine Lösung könne etwa ein leicht zugängliches, neutrales und unabhängiges, aber gesetzlich abgesichertes Internetportal bieten. Hinsichtlich des in den meisten Berufsordnungen noch geltenden Fernbehandlungsverbots rief Montgomery die anwesenden Delegierten zu einer Lockerung in der (Muster-)Berufsordnung auf, die schließlich auch beschlossen wurde (s. hierzu ebenfalls Artikel „Applaus für die Pflege auf S. 5): „Die Welt ist wahrlich im schnellen Wandel“, sagte Montgomery. Bereits jetzt würden ausländische Internetportale deutschsprachige Ärzte beschäftigen. Das Schweizer Vorbild zeige, dass für Ärzte rechtssichere Portale möglich seien. Kein Wettbewerb mit psychologischen Psychotherapeuten Montgomery wies auf ein verändertes Krankheitsspektrum als Folge der sich dass ausländische Ärzte künftig eine dem dritten Staatsexamen (dritter Abschnitt) entsprechende Prüfung ablegen müssen (s. hierzu auch Artikel „Applaus für die Pflege“ auf S. 5).

Die Politik müsse bei wesentlichen Fragen zum Gesundheitssystem die Ärzteschaft einbeziehen, forderte Montgomery. Eine Neuregelung der sektorenübergreifenden Versorgung werde nicht ohne ihre Beteiligung gelingen. Die ärztliche Freiberuflichkeit müsse vor stattlichen Übergriffen geschützt werden, denn: „Freiberuflichkeit stirbt, wenn sie staatlich überreguliert wird“.

GOÄ zügig umsetzen

Außerdem bedürfe die mittlerweile von der BÄK mit ärztlichen Verbänden und der PKV „weitgehend konsentierte GOÄ“ keiner wissenschaftlichen Untersuchung oder Begleitung, und schon gar keines Moratoriums bis 2019. Vielmehr müsse die GOÄ und ein neuer EBM nun zügig umgesetzt werden. Montgomery warnte erneut vor einer einheitlichen Honorarregelung für GKV- und PKV-Patienten: „Diese Modelle – vor allem die Bürgerversicherung – sind in Wahrheit die Krankheit, als deren Therapie sie sich ausgeben“, sagte der BÄK-Präsident.

Klare Verhältnisse bei Pflege und §219a

„Wir müssen uns fragen, warum ein so reiches Land wie unseres es nicht schafft, die Ausbildung, die Arbeitsbedingungen und die Vergütung Pflegender so zu regeln, dass diese Berufe wieder attraktiv werden für junge Menschen“, verwies Montgomery auf den Mangel an Pflegekräften. Die Pflege brauche Tarifverträge und -bindungen. Tarifsteigerungen müssten für alle Gesundheitsberufe, auch für die Ärzteschaft, voll refinanziert werden.

Klare Verhältnisse forderte Montgomery auch im Hinblick auf den § 219a im Strafgesetzbuch, der die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Betroffene Frauen müssten besser an erforderliche Informationen gelangen, Ärztinnen und Ärzte Rechtssicherheit erhalten. Eine Lösung könne etwa ein leicht zugängliches, neutrales und unabhängiges, aber gesetzlich abgesichertes Internetportal bieten.

Hinsichtlich des in den meisten Berufsordnungen noch geltenden Fernbehandlungsverbots rief Montgomery die anwesenden Delegierten zu einer Lockerung in der (Muster-)Berufsordnung auf, die schließlich auch beschlossen wurde (s. hierzu ebenfalls Artikel „Applaus für die Pflege auf S. 5): „Die Welt ist wahrlich im schnellen Wandel“, sagte Montgomery. Bereits jetzt würden ausländische Internetportale deutschsprachige Ärzte beschäftigen. Das Schweizer Vorbild zeige, dass für Ärzte rechtssichere Portale möglich seien.

Kein Wettbewerb mit psychologischen Psychotherapeuten

Montgomery wies auf ein verändertes Krankheitsspektrum als Folge der sich wandelnden Welt hin. 14 Prozent aller Krankschreibungen würden heute durch psychische Ursachen verursacht. Psychische Störungen seien zudem häufig Begleiterscheinungen somatischer Erkrankungen. Ärztinnen und Ärzte seien daher zu ihrer Behandlung gefragt. An der geplanten Ausbildungsreform der psychologischen Psychotherapeuten kritisierte Montgomery: Ein Wettbewerb mit angehenden Fachärzten und damit eine gegenseitige Verdrängung sei keine Lösung. Psychopharmaka dürften psychologische Psychotherapeuten ohne entsprechendes Fachwissen auch künftig nicht verschreiben.

Neues Genfer Gelöbnis

Unter der Überschrift „der Bürokratiegaul wiehert!“ erteilte Montgomery schließlich der Europäischen Kommission mit ihren vielen übertriebenen Regelungen und Begleitungen eine Absage, sowohl hinsichtlich der „Verhältnismäßigkeitsrichtlinie“ als auch der HTAVerordnung (Technologie-Verordnung bei Arzneimitteln). Eine Welt im Wandel, sagte Montgomery, brauche Bürgernähe und Selbstbestimmung statt Bürokratie. Im Anschluss an seine Rede sprach das gesamte Plenum das von der Bundesärztekammer neu gefasste und modernisierte „Genfer Gelöbnis“, das im vergangenen Jahr in Chicago vom Weltärztebund für die globale Ärzteschaft übernommen wurde. Statt Paternalismus enthält die Neufassung mehr Kooperation und auch eine Passage, die Ärztinnen und Ärzte dazu aufruft, sich vor Selbstausbeutung und Überforderung zu schützen.

Gemeinsam Probleme lösen

Auf Montgomerys Ausführungen antwortete der neue Gesundheitsminister mit dem Aufruf, miteinander um die richtigen Antworten auf brennende politische Fragen zu ringen. Es gehe darum, den Gestaltungsanspruch der Politik deutlich zu machen und Vertrauen bei den Bürgern zurückzugewinnen, indem man beweise, dass man in der Lage sei, konkrete Probleme zu lösen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass wir in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hätten. Spahn kritisierte die vergangenen Fälle von Gewalt gegen Ärzte und Rettungsdienste und freute sich darüber, dass die Einheitsversicherung vom Tisch sei.

Unmut erntete er mit seiner Aussage, die geplante Festlegung der Sprechstundenzeiten auf mindestens 25 Stunden sei als Ermunterung für diejenigen gedacht, die einen vollen Praxissitz besäßen, ihn aber nicht voll ausfüllten. Die neu eingerichteten Terminservicestellen hätten bereits geholfen, das Gesamtangebot auszuweiten. Ärztinnen und Ärzte, die zusätzliche Patienten annehmen, müssten auch zusätzlich vergütet werden. „Wir können das Problem nur mit Ihnen lösen!“, lautete sein Aufruf an die Ärzteschaft.

Mehr Medizinstudienplätze, mehr Pflegekräfte

Hinsichtlich des Pflegemangels kündigte Spahn neue Initiativen an. Man müsse diejenigen Pflegekräfte ermuntern, die aus dem Beruf ausgestiegen sind oder nur noch in Teilzeit arbeiten. Der Nachwuchs müsse sowohl in der Pflege als auch bei der Ärzteschaft gestärkt werden. Alle 16 Bundesländer müssten nun in Medizinstudienplätze investieren, forderte Spahn. Bereits vorher hatten Dr. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen, der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow und der Erfurter OB Andreas Bausewein die Anwesenden begrüßt. Die Toten des vergangenen Jahrs wurden geehrt, und die Paracelsusmedaillien verliehen. Die Auszeichnung geht in diesem Jahr an Dr. med. Margita Bert, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus Bensheim, Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans Georg Borst, Münchner Facharzt für Chirurgie und Prof. Dr. med. Felix Zintl, Facharzt für Kinderheilkunde aus Jena.

Stephanie Hügler