Leitartikel

Vernetzte Versorgung: Online-Info aus der Klinik

Häufig erfahren Einweiser vom Schicksal eines im Krankenhaus behandelten Patienten erst, wenn er nach der Entlassung wieder in die Praxis kommt. Dies ändert das Einweiser-Portal der München Klinik – durch eine E-Mail direkt aufs Handy

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Frau Dr. Weippert, was kann der EinweiserInfo Service für Ärztinnen und Ärzte (EIS) der München Klinik (ehemals Städtisches Klinikum München)?

Sie kennen die berühmte Freitags-Entlassung – die Apotheke hat zu, der Hausarzt weiß von nichts, der Patient hat keine Medikamente. Das ändert sich durch den EIS: Damit erhalten Sie als Arzt alle Behandlungsinformationen Ihrer Patientinnen und Patienten. Per E-Mail werden Sie über neue Ereignisse informiert. Dazu zählen z.B. die stationäre Aufnahme und Aufnahmeart, Verlegungen, Entlassung und Entlassart, die Krankenhaushauptdiagnosen sowie Operationen und Herzkatheteruntersuchungen.

Zudem ist die vorläufige Version des elektronischen Arztbriefs bei der Entlassung im Portal einsehbar. Sie können sowohl diesen als auch den finalisierten Arztbrief direkt in Ihr Praxissystem übernehmen.

Sie hatten die Idee für den EIS. Wie kam es dazu?

Der EIS in seiner heutigen Gestalt ist der Verdienst unserer IT. Wir haben in einem großen Projekt von 1997 bis 1999 Defizite in der Kommunikation zu den Einweisern identifiziert und Instrumente entwickelt, diese Lücken zu schließen. Viele Hausärztinnen und Hausärzte beklagen, dass sie über den Entlassungszeitpunkt und die bereits im Krankenhaus eingeleitete Weiterversorgung nicht Bescheid wissen - ebenso, wie über eine notfallmäßige Krankenhausaufnahme ihrer Patienten. Das hatten wir bereits in den Jahren 1997/98 in einer wissenschaftlichen Untersuchung festgestellt. Daher haben wir damals ein Faxblatt „Entlassung“ und ein Faxblatt „Aufnahme“ entwickelt, mit dem die Einweiser per Fax darüber informiert werden sollten. Leider entpuppten sie sich aber als nicht praktikabel genug für den Alltag.

Der bürokratische Aufwand für unsere Ärztinnen und Ärzte war im stressigen Alltag zu hoch, sodass die Faxblätter zu selten benutzt wurden.

Was ist dann passiert?

Aufgrund dieser Erfahrungen haben wir unmittelbar danach zunächst einige wichtige Prozesse in der Klinik umgesetzt, z.B. Anrufe beim Hausarzt, wenn ein Patient verstorben ist, Hinweise auf Generika im Arztbrief oder den vorläufigen Entlassbrief.

Dieser wird seither, mindestens mit der aktuellen Medikation, dem Patienten mitgegeben. All das war vorher nicht üblich. Im Dezember 2013 ist der EIS dann erstmals in einer Pilotphase online gegangen. Uns war damals klar, dass ein Instrument, das diese Kommunikationslücke schließt, keinen Zusatzaufwand für unser Personal bedeuten darf. Das hat unsere IT geschafft: Informationen aus dem klinischen SAP-Programm werden heute direkt auf den EIS weitergeleitet. Keiner muss dafür zusätzlich ein Blatt Papier oder einen Stift in die Hand nehmen, sondern die Niedergelassenen bekommen die für sie wichtigen Informationen automatisch.

Welche Informationen sind das?

Es sind die wichtigsten Informationen zum Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung. Seit dem letzten Jahr ist außerdem der Arztbrief enthalten – zunächst der vorläufige, und dann der endgültige, und zwar so, dass der niedergelassene Kollege ihn online lesen, speichern, ausdrucken und, wo immer er ist, abrufen kann. Vor Kurzem habe ich mit einer Hausärztin darüber gesprochen. Sie sagte zu mir:

„Sie können sich nicht vorstellen, was für eine tolle Sache das für mich ist!“ Wenn sie früher abends oder nachts ins Altenheim gerufen, weil eine Bewohnerin gerade aus der Klinik entlassen wurde, war der Arztbrief oft nicht auffindbar. Heute bekommt sie mit ihrem Handy direkt einen Zugang zum Portal und zum Arztbrief.

Was war Ihre persönliche Motivation, sich für ein solches System einzusetzen?

Ich bin eine absolute Verfechterin der „integrierten“ Versorgung und überzeugt, dass wir Patientinnen und Patienten durch eine verbesserte sektorenübergreifende Kommunikation und ggf. neue Versorgungsformen noch besser betreuen können als bisher. Kommunikationsbrüche zwischen den Sektoren zu schließen ist dafür Voraussetzung.

Warum gehen Sie mit dem EIS erst jetzt an die Öffentlichkeit, wenn es schon seit 2013 existiert?

Die IT hat richtig viel Herzblut in dieses Projekt gesteckt, und auch ich stecke seit Ende der 1990er Jahre viel Herzblut hinein. Aktuell haben wir aber nur knapp über 100 Nutzer. Daher möchten wir diese Möglichkeit jetzt bei den Kollegen bekannter machen. Ich gehe immer wieder persönlich in die Praxen, um das System zu erklären, aber die Resonanz war bis jetzt noch zu gering. Als wir vor Kurzem einen Brief an rund 5.500 zuweisende Ärzte in München geschickt haben, um unsere neue Marke „München Klinik“ bekannt zu machen, lag auch ein Feedbackbogen, unter anderem zum EIS, bei. Leider haben uns aber nur etwa 25 Ärzte den Feedbackbogen zurückgeschickt.

Wie einfach oder schwer ist es, Nutzer zu werden?

Es ist wirklich einfach. Die Nutzer brauchen keine Voraussetzungen außer einem Internetzugang und dem Nachweis, dass sie niedergelassene Ärzte sind (Betriebsstättennummer der Praxis). Dazu kann man einen Antrag mit den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzerklärung online ausfüllen, ihn ausdrucken, unterschreiben und dann per Fax an die angegebene Nummer schicken. Danach erhält man eine E-Mail und einen Brief mit den Zugangsdaten zum Einloggen, wie bei der Bank. Jeder kann den Rhythmus der Benachrichtigungen selbst online einstellen. In den Benachrichtigungs-E-Mails steht aus Datenschutzgründen natürlich nicht: Frau Schmidt liegt jetzt bei uns in der Klinik, sondern nur, dass sich etwas auf Ihrer Plattform verändert hat.

Sobald man das Portal dann öffnet, sieht man bereits an der Farbe, was man noch nicht gelesen hat – also z.B. dass Frau Schmidt wegen eines gebrochenen Oberschenkels in der Klinik ist und dort operiert wurde.

Ist auch ein Dialog mit dem Uniklinikum auf diesem Weg möglich?

Es ist bisher ein Service der München Klinik für ihre Einweiser. Noch verläuft die Kommunikation hauptsächlich unidirektional, von uns an die Niedergelassenen. Es gibt aber die Möglichkeit, uns über das Portal eine Nachricht zurückzuschicken. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen dürfen es aktuell allerdings nur Fragen oder Anmerkungen zum System sein, keine patientenbezogenen Fragen. Natürlich ist auch eine bidirektionale Kommunikation über die gemeinsamen Patienten wünschenswert und in der Planung. Nur dauert das noch etwas, bis wir die Datenschutzbestimmungen umsetzen können.

Wen oder was sehe ich als Arzt oder Ärztin im System?

Sie sehen alle Patientinnen und Patienten, die Sie selber eingewiesen haben, und diejenigen, die Sie als ihren Hausarzt benannt und zugestimmt haben, dass Sie informiert werden. Vorher müssen wir natürlich bei jedem Patienten einzeln das Einverständnis einholen, dass wir den Hausarzt zusätzlich informieren dürfen. Der Behandlungsvertrag sieht nämlich nur vor, dass Einweiser und Krankenhaus miteinander kommunizieren dürfen. Sobald Informationen an einen weiteren Arzt gehen soll, brauchen wir jedes Mal eine Unterschrift.

Das müsste doch leicht zu bewerkstelligen sein.

Im Moment ist es leider oft schwierig, weil viele Patienten außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Patientenaufnahme zu uns kommen. Dann wird meist in den Notfallzentren eine Kurzaufnahme durch die Pflege durchgeführt. Die Pflegekräfte aber sind aus verschiedenen Gründen so überlastet, dass sie kaum hinterherkommen. Auch die Arztbrieffreigabe muss erst einmal in SAP erteilt sein, damit das Dokument exportiert werden kann. Es gibt viele teilweise neue Prozessschritte im Krankenhaus, die wir berücksichtigen müssen. Aber wir sind auf bestem Wege. Derzeit haben schon knapp 80 Prozent der Anzeigen im EIS einen Arztbrief hinterlegt. Das ist meines Erachtens schon jetzt eine hervorragende Quote.

Wie hat sich das Portal seit 2013 geändert?

Im Dezember 2013 habe ich persönlich 25 Probeteilnehmer für das Pilotprojekt rekrutiert, die IT schon im Sommer 2013 einen Kollegen für den allerersten Versuch. Aufgrund der Rückmeldungen dieser Teilnehmer gab es dann ein erstes Upgrade, danach weitere, bis wir letztes Jahr auch den Arztbrief einbinden konnten. Die Pilotteilnehmer hatten z.B. rückgemeldet, dass sie zur Angabe der Station, auf der der Patient liegt, auch gern die Telefonnummer der Station hätten. Das haben wir umgesetzt.

Außerdem gibt es nun neben der ICD-Nummer der jeweiligen Diagnose auch den dazugehörigen Text sowie den ICD-Katalog, damit niemand parallel noch Bücher wälzen oder in einem anderen System suchen muss. Statt mehrmals am Tag gibt es seither nur noch einmal eine Meldung an die Nutzer, auch wenn jemand mehrmals verlegt wurde. Jeder Nutzer kann wählen, zu welchem Zeitpunkt er informiert werden möchte, z.B. um 12 Uhr mittags, früh morgens um 7 Uhr oder abends um 21 Uhr. Wir haben das System aufgrund der Rückmeldungen, die wir bekommen haben, immer wieder verbessert und angepasst. Wir hatten auch schon Rückmeldungen, dass jemand nur den Medikationsplan, ohne Arztbrief, möchte, oder nur das Labor. Alle diese Rückmeldungen nehme ich auf und leite sie an die IT weiter. Wir sind auch künftig offen für weitere Rückmeldungen.

Haben Sie weiteres Feedback bekommen?

Diejenigen, die das Portal regelmäßig nutzen, sind begeistert. Eine Kollegin sagt zum Beispiel: Wenn sie in den Vereinigten Staaten zum Skifahren ist und dann sieht, dass ihre Patientin, Frau Müller, ins Krankenhaus gekommen ist, aber auch wieder entlassen wurde, freut sie sich und ist beruhigt. Der EIS ist eine tolle Sache. Er kostet für die Niedergelassenen nichts und bedeutet null Aufwand. Sie können davon nur profitieren.

Gibt es eine Unterstützung für Ärzte, die nicht so technikaffin sind?

Ja, sicher. Mein Kollege aus der IT und ich bieten immer an, auch vor Ort zu helfen. Erst neulich war ich wieder in fünf verschiedenen Praxen, um den Service vorzustellen – weil es einfach schöner ist, wenn man es gezeigt bekommt. Zudem gibt es auf der Homepage auch eine Demoversion, mit der man alles nachvollziehen kann.

 

Kontakt zu Didona Weippert:

Didona.Weippert@muenchen-klinik.de

Das Gespräch führte Stephanie Hügler