Facharztweiterbildung in Teilzeit: Mehr Zeit für die Familie
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Kinder kommen selten zum perfekten Zeitpunkt. Werdende Eltern befinden sich häufig gerade mitten in der Aus- oder der Weiterbildung. Sind sie damit fertig, ist es oft der Beruf, der sie voll fordert. Warum also so lange warten? Schließlich sinkt die Fertilität mit zunehmendem Alter.
Dr. Marie Franz hat ihre beiden Kinder während ihrer Facharztweiterbildung in der Gynäkologie am Klinikum der LMU München bekommen. Währenddessen hat sie weiter in Teilzeit gearbeitet. Damit ist sie eine von nur 16,3 Prozent aller werdenden Eltern in der Gynäkologie in Bayern, die diese Variante wählen. Die Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist allerdings noch eines der Fächer, in dem sich verhältnismäßig viele Weiterbildende dafür entscheiden: in der Allgemeinmedizin sind es nur 8,3 Prozent, in der Viszeralchirurgie und Inneren Medizin / Kardiologie sogar nur 1,7 bzw. 1,4 Prozent.
Dabei ist eine Teilzeit-Weiterbildung für die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) kein Problem: Sie „wird von der Bayerischen Landesärztekammer im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familienverantwortung mit dem Beruf unterstützt, wie auch einschlägige Beschlüsse des Bayerischen und des Deutschen Ärztetags belegen“, sagt Dr. Judith Niedermaier, Geschäftsführende Ärztin und Referatsleiterin der Weiterbildung II bei der BLÄK. „Wichtig dabei ist, die Vorgaben der Weiterbildungsordnung zu beachten: Eine Weiterbildung in Teilzeit muss hinsichtlich Niveau und Qualität einer ganztägigen Weiterbildung entsprechen“.
Dies sei in der Regel der Fall, wenn die Teilzeittätigkeit mindestens die Hälfte der regulären wöchentlichen Arbeitszeit beträgt. Bis zur Hälfte der für die Bezeichnung vorgeschriebenen Mindestweiterbildungszeit kann die Weiterbildung laut Niedermaier auch mit mindestens zwölf Stunden der Woche absolviert werden. Die Weiterbildungszeit verlängert sich jedoch entsprechend. Zudem muss im Zeugnis der zeitliche Umfang der Teilzeitbeschäftigung (Stunden/ Woche) aufgeführt werden. Im Übrigen dürfen auch weiterbildende Ärztinnen und Ärzte dies in Teilzeit tun, wenn „sichergestellt ist, dass eine ganztägige Weiterbildung durch komplementäre Arbeitszeiten der teilzeitbeschäftigten Weiterbildungsbefugten gewährleistet ist“.
Bei Franz hat alles gut geklappt „Von der Klinik, vom Team und von der Akzeptanz der Kollegen her hat es gut funktioniert. „Ich konnte nach der Geburt meiner beiden Kinder jeweils in Teilzeit arbeiten und konnte auch passende Wochentage mit meinem Vorgesetzen vereinbaren“. Ihr Chef, Prof. Dr. Sven Mahner, unterstützte ihr Vorhaben. Sie bekam eine 60-Prozent-Stelle und arbeitete jeweils drei volle Tage. „Die große Schwierigkeit in München liegt jedoch in der Kinderversorgung“, sagt Franz. „Obwohl wir uns bereits in der achten Schwangerschaftswoche für eine städtische Kinderkrippe angemeldet haben, haben wir dort keinen Platz bekommen“. Auch mit einem Betreuungsplatz an der Klinik habe es nicht gleich geklappt. Eine private Kinderkrippe mit monatlichen Kosten von 1.000 bis 1.200 Euro sei für noch in Aus- und Weiterbildung befindliche Eltern aber finanziell kaum zu stemmen.
Hinzu komme, dass die Arbeitszeiten in Krankenhäusern oft nicht mit kostengünstigen Varianten der Kinderbetreuung vereinbar seien. „Tagesmütter arbeiten oft nur bis 15 Uhr“, sagt Franz. Ohne Unterstützung durch den Partner, Eltern oder Schwiegereltern sei die Kinderbetreuung neben dem Beruf daher kaum zu bewältigen, besonders weil kleine Kinder oft krank sind und es so zu ungeplanten Ausfällen kommt. „Ich hatte das Glück, eine Familie zu haben, die mich sehr unterstützt – andere haben das vielleicht nicht“, gibt Franz zu bedenken.
Mütter und Väter haben häufig Sorge, dass sie nicht wieder in die Klinik zurückkommen können, wenn sie in Teilzeit arbeiten möchten. Oder sie glauben, dass sie den Facharzttitel mit Kind nicht schaffen“, sagt Prof. Dr. Nina Rogenhofer, Geschäftsführende Oberärztin des Hormon- und Kinderwunschzentrums der Ludwig-Maximilians Universität München, BLÄK- und ÄKBV-Delegierte und Mitglied im ÄKBV- Ausschuss „Beruf und Familie“. „Viele Eltern fürchten die Vereinbarkeit des klinischen Alltags mit der Familie, ein Problem, welches ohne Unterstützung ihres Chefs und der Kollegen nicht zu meistern ist. Zudem dauert die Weiterbildung in Teilzeit natürlich entsprechend länger.“
Dabei hat sie als Oberärztin sehr gute Erfahrungen damit gemacht: Mütter, die nicht in Vollzeit arbeiten, gingen sehr gerne und hoch motiviert wieder zum Dienst. „Meiner Meinung nach ist mit einer guten Organisation vieles machbar. Schließlich gehen Ärztinnen und Ärzte ja auch mal in den Urlaub und müssen dann auch ersetzt werden“. Ein Modell sei etwa die Aufteilung von Vollzeit- in Teilzeitstellen. In ihrer Abteilung beispielsweise teilen sich zwei Mütter eine Stelle. Das klappe wunderbar.
Das sieht auch der gemeinsame Chef von Rogenhofer und Franz so. Prof. Dr. Sven Mahner ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauen- heilkunde und Geburtshilfe der LMU München und selbst Vater von zwei kleinen Kindern: „Eines der gangbarsten Modelle für Eltern mit Kindern ist, dass sich zwei Mitarbeiter eine Stelle bzw. Funktion zu jeweils 50 Prozent teilen und diese untereinander koordinieren“, sagt Mahner. So sei jederzeit eine Vertretung möglich. Und jeder im Team wisse, dass die Funktion immer besetzt ist, ohne dass ein Dienstplaner umständlich umplanen müsse. Allerdings gebe es auch Teilzeitstellen mit mehr oder weniger als 50 Prozent, sodass es häufig individuelle Lösungen brauche. Auch sei meist keine blockweise Arbeit von Dienstag bis Donnerstag möglich, da es ja auch an den anderen Tagen viel zu tun gebe.
Warum gibt er sich so viel Mühe, den Wünschen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachzukommen? „Als Arzt in einer Frauenklinik und Klinikdirektor möchte ich die besten Ärztinnen und Ärzte hier haben. Das gilt für Frauen genauso wie für Männer“. Für viele gehöre es einfach zu einem erfüllten Leben dazu, Kinder zu haben. Also müsse man das als Klinikdirektor auch ermöglichen. „Natürlich ist das nicht immer einfach, aber nicht immer ist der einfachste Weg der beste“.
Sicher habe die Flexibilität im Arztberuf auch Grenzen: Marie Franz und andere Eltern würden sich beispielsweise wünschen, weniger Nachtdienste machen zu müssen. Das aber sieht Mahner als eher schwierig an. Die meisten Geburten z. B. geschähen außerhalb der sogenannten „Kernarbeitszeiten“ von 8 bis 16 Uhr. Daher seien alle Mitarbeiter gefordert. „Dienste sind für alle Teammitglieder eine Belastung. Davon können wir nicht zu viele Ausnahmen machen, damit die Belastung nicht an wenigen Personen hängen bleibt. So sehr der Wunsch im Einzelfall verständlich ist – wir müssen die Häufigkeit der Dienste prozentual an die Arbeitszeiten anpassen.“ In Notfällen gebe es aber trotzdem immer Lösungen, und dann stehe das Team in der Regel auch eng zusammen.
Momentan sind es vorwiegend Frauen, die, wenn überhaupt, eine Teilzeitweiterbildung anstreben. „Es ist immer noch die Ausnahme, dass auch Männer Elternzeit nehmen möchten“, sagt Rogenhofer. Laut aktuellen Zahlen der BLÄK sind 81,8 Prozent der Antragsteller Frauen. Das liegt nicht immer am fehlenden Wunsch der Väter, sondern auch an der Unterstützung und Vereinbarkeit in der Klinik. „Es hat sich in der Ärzteschaft einfach noch nicht eingebürgert, dass Männer ihren Anteil an der Kinderbetreuung übernehmen“. Eine Ausnahme sei auch hier Prof. Mahner.
Als er damals rund um die Geburt seines ersten Kinds vom Hamburger UKE nach München wechselte nahm er selbst eine flexible Form einer Elternzeit, erzählt er: Um die Übergabe an die neue Hamburger Klinikdirektorin gut zu ermöglichen, war er weiter da, ermöglichte aber, dass er kommen und gehen konnte wie es für die Sicherstellung der Kinderbetreuung nötig war. Sein Rat an Männer und Frauen mit dem Wunsch nach einer Teilzeitarbeit oder -weiterbildung: Man solle sich nicht scheuen, den Wunsch offen auszusprechen. „Der Erfolg im Beruf hängt meiner Ansicht nach nicht davon ab, ob man dauernd da ist, sondern davon, wie engagiert man ist “, ist seine Überzeugung. Viele Mitarbeiter mit Kindern seien sogar wesentlich besser organisiert als solche ohne. „Teilzeitarbeit ist für mich auf keinen Fall ein Karrierehindernis“.
Wichtig aus Sicht von Rogenhofer und Franz ist es aber, sich frühzeitig über Möglichkeiten der Teilzeitarbeit und -weiterbildung zu informieren. Unterstützung und Informationen erhalten Interessierte unter anderem bei der BLÄK – und im Idealfall auch von der eigenen Klinik. Franz etwa hat bei Bekanntgabe ihrer ersten Schwangerschaft eine Broschüre von der LMU enthalten, in der ihre Rechte und Pflichten genau aufgelistet waren. Wesentlich einfacher wäre es für Ärztinnen und Ärzte mit Kindern, wenn die Stadt München mehr Kinderkrippen mit passenden Öffnungszeiten auch für Menschen mit Schichtdiensten einrichten würde.
Dennoch stärkt sie anderen Eltern in der Medizin den Rücken: „Man kann Arbeitnehmern und Arbeitgebern nur Mut zur Teilzeitarbeit zusprechen. Und je normaler das im Klinikalltag wird, umso leichter wird es für die folgenden Generationen“, sagt sie. Natürlich erfordere das oft einen hohen organisatorischen Aufwand. Und natürlich laufe nicht immer alles optimal. „Ich hatte das Glück, im Kollegenkreis und bei meinen Vorgesetzten auf viel Verständnis zu stoßen“. Das ist für Eltern schon viel wert.