Ausbildungsberater zur MFA
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Herr Dr. Beck, Sie haben die Stelle eines Ausbildungsberaters im Ärztlichen Bezirksverband Schwaben eingeführt. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Beck: Dazu gibt es eine gesetzliche Vorgabe nach dem Berufsbildungsgesetz, der wir schon immer nachgekommen sind. Früher haben vor allem an den Berufsschulen tätige Ärztinnen und Ärzte diese Aufgabe – ähnlich wie ein Vertrauenslehrer – übernommen. Noch heute finden viele Gespräche an den Schulen statt. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben allerdings nicht mehr genügend Einblick in die praktische Tätigkeit, und aus unterschiedlichen Gründen arbeiten immer weniger Ärztinnen und Ärzte an Berufsschulen. Die Bayerische Landesärztekammer hat daher beschlossen, eine offizielle Position zu schaffen, die beide Seiten – Ausbilder und Auszubildende – kennt und gegenüber beiden eine gewisse Autorität hat. Im Herbst 2015 hat der Bayerische Ärztetag auf meinen Antrag hin die Kreis- und Bezirksverbände dazu aufgefordert, Ausbildungsberater neuen Stils vor Ort zu implementieren. Wir hier in Schwaben sind sehr glücklich, dass wir bald Herrn Dr. Wagner gefunden haben, der diese Aufgabe seit 2016 bei uns übernimmt.
Herr Dr. Wagner, was sind Ihre Aufgaben als Ausbildungsberater?
Wagner: Eines unserer wichtigsten Ziele ist, die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu verbessern und möglichst zu erreichen, dass die Ausbildung erfolgreich beendet wird. Besonders in Ballungsgebieten, auch in München, herrscht heute ein starker Mangel an Auszubildenden zur MFA. Viele Praxen können nur eine eingeschränkte Tätigkeit anbieten, weil nicht mehr genügend Personal zur Verfügung steht. Daher sind wir bemüht, jede/n die oder der die Ausbildung beginnt, diese auch erfolgreich abschließen zu lassen. Dabei gehört es zu meinen Aufgaben, bei Problemen zwischen Ausbildern und Auszubildenden zu vermitteln.
Was tun Sie als Ausbildungsberater konkret? Wer fragt Sie an?
Wagner: Es fragen sowohl ausbildende Praxen an als auch Auszubildende. Wir versuchen dann, die bestehenden Probleme gemeinsam zu lösen. Dies ist uns bisher häufig gelungen – nicht immer, aber doch in der Mehrzahl der Fälle. Die Probleme sind vielfältig. Sie beginnen zum Beispiel damit, dass Arbeitszeiten von den Ausbildern nicht eingehalten werden oder dass Auszubildende zu häufig nicht ausbildungsbezogene Tätigkeiten übernehmen müssen. Es geht aber auch um das Fehlverhalten von Auszubildenden – z.B. mangelnde Pünktlichkeit und unangemessenes Verhalten. Häufig ist schlechte Kommunikation die eigentliche Ursache für Konflikte: Bei besserer Kommunikation könnte man die meisten Probleme frühzeitig beheben.
Haben Sie einen Tipp für Ärztinnen und Ärzte, was sie dabei besser machen könnten?
Wagner: In meiner eigenen Praxistätigkeit hat es sich zum Beispiel bewährt, einmal pro Woche eine Konferenz oder Mitarbeiterbesprechung durchzuführen, bei der Probleme im Praxisalltag besprochen wurden. Dadurch konnten diese früh gelöst werden, bevor sie sich angehäuft haben. Währenddessen konnte sich jede und jeder frei darüber äußern, was ihm oder ihr aufgefallen war und zum Beispiel auch Verbesserungsvorschläge machen. Indem man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu die Möglichkeit gibt, zeigt man ihnen, dass man ihre Ideen und ihr Engagement schätzt.
In welchem Umfang sind Sie tätig?
Wagner: Das ist kein Vollzeitjob. Die Belastung ist für mich nach meiner Pensionierung nebenher zeitlich gut machbar, allerdings schwankt der Aufwand.
Beck: Im letzten Jahr hatten wir insgesamt 163 Gespräche und Beratungen mit Auszubildenden und 41 mit Ärztinnen und Ärzten, wenn man die Gespräche an Schulen mitrechnet. Häufig ging es dabei um leicht zu klärende allgemeine Fragen zu Ausbildung, Urlaub, Weihnachtsgeld, Teilzeitarbeit oder Lehrzeitverkürzung. Schwieriger werden die Gespräche, wenn das Arbeitsklima zwischen Ausbilder und Azubi nicht stimmt, wenn es persönliche oder familiäre Probleme gibt oder andere Probleme am Arbeitsplatz. Leider bekommt Herr Dr. Wagner häufig erst dann Kenntnis davon, wenn das Problem schon längere Zeit besteht.
Wagner: Ja, das ist richtig. Bevor sich eine Auszubildende „beschwert“ ist meistens schon einiges schief gelaufen. Wie vorher schon gesagt: Wenn die Kommunikation vorher besser gelaufen wäre, hätte man eine Eskalation häufig vermeiden können.
Welche Erfolge haben Sie erzielt?
Wagner: Ich sehe es grundsätzlich als Erfolg, wenn die betreffende Auszubildende an ihrem Arbeitsplatz weiterarbeiten und ihre Ausbildung dort beenden kann bzw. wenn die Praxis so weit beeinflusst werden kann, dass strittige Punkte geklärt werden und anschließend korrekt gehandelt wird. Wenn die Kommunikation so gestört ist, dass keine Zusammenarbeit mehr möglich ist, versuchen wir, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden. Erst vorige Woche habe ich eine Email von einer Auszubildenden zur MFA aus der Nähe von Kempten erhalten. Weil eine Zusammenarbeit an der alten Arbeitsstelle leider nicht mehr möglich war, haben wir ihr damals eine neue Arbeitsstelle vermittelt. Die MFA fühlt sich heute sehr wohl, alles klappt gut. Daher wollte sie sich bei mir bedanken.
War es auch manchmal aufgrund von Fehlern der MFA nicht machbar, die Ausbildung weiterzuführen?
Wagner: Ja, bei Unpünktlichkeit, Leistungsverweigerung oder fehlerhafter Arbeit kann das schon passieren. Allerdings muss man beachten: Eine Auszubildende im ersten Lehrjahr macht eben manchmal noch Fehler. Und nicht alle Ausbilder haben genügend Geduld. Auch zwischenmenschliche Probleme lassen sich nicht immer lösen. Es ist wie in anderen Betrieben auch: Es menschelt eben!
Haben Sie beide seit Einführung des Ausbildungsberaters etwas gelernt? Hat sich etwas verändert?
Beck: Man muss junge Auszubildende sowie Kolleginnen und Kollegen immer wieder ermuntern, Probleme früh anzusprechen und es nicht zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen zu lassen. Von der Kammer aus bieten wir regelmäßig die Ganztageskurse „Ausbildung für Ausbilder“ an, in denen Ärztinnen und Ärzte sich über Rechte und Pflichten beider Seiten, z.B. über das Tarifrecht, aber auch über Konfliktlösungsmöglichkeiten, informieren können. Das wird sehr gerne angenommen, und die meisten berichten danach, dass sie sich im Umgang mit Azubis sicherer fühlen. Im Berufsbildungsausschuss arbeiten wir eng mit der Landesärztekammer sowie den Kreis- und Bezirksverbänden zusammen. Auch mit den Berufsvertretungen der MFA stehen wir immer im Kontakt.
Wagner: Leider finden wir heute bei den Auszubildenden nicht den gleichen Ausbildungsstand vor wie vor zwanzig oder dreißig Jahren. Damals hatte fast jede Auszubildende mindestens einen Realschulabschluss, einige sogar Abitur. Heute hat die Mehrzahl nur einen Haupt- bzw. Mittelschulabschluss. Auch das führt zu Konflikten. Der Stoff ist nicht einfacher geworden, und die Prüfungsaufgaben in der Berufsschule sind nach wie vor sehr anspruchsvoll. Für eine Auszubildende mit Hauptschulabschluss ist es nicht einfach, die Ausbildung gut abzuschließen. Nicht alle Praxisinhaber, die frühere Zeiten erlebt haben, akzeptieren das.
Würden Sie beide Ihr Modell des Ausbildungsberaters auch anderen Kreis- und Bezirksverbänden empfehlen?
Beck: Auf jeden Fall. Viele Bezirksverbände sind interessiert. Auch der ÄKBV München hat ja mittlerweile zwei neue Kollegen dafür gewonnen (s. Seite 7). München ist hinsichtlich der großen Auszubildendenzahl dafür sicher prädestiniert – dort gibt es bayernweit ja die meisten Praxen. Von den knapp 11.000 Auszubildenden zur MFA in Bayern arbeiten rund 1.500 in München. Wir freuen uns auf den Austausch mit anderen Bezirksverbänden.
Was können Ärztinnen und Ärzte tun, damit Auszubildende im Beruf bleiben?
Beck: Das Wichtigste ist zunächst, über den Inhalt der Ausbildung aufzuklären, über die vielen verschiedenen spannenden Facetten des Berufs – von der medizinischen bis zur technischen und betriebswirtschaftlichen Seite. Es braucht EDV-Kenntnisse und kommunikative Fähigkeiten. Mit Menschen zu arbeiten ist immer etwas Anderes als mit einem Werksstück. Genau das möchten viele Schulabgänger zwar, aber das kann auch anstrengend sein. Das muss man als Ausbilder darstellen. Wichtig ist außerdem eine gut strukturierte betriebliche Ausbildung. Es sollte von Anfang an anhand eines Ausbildungsplans gearbeitet werden – so wie es heute in beruflichen Ausbildungen üblich ist. Zu sagen „mach mal einfach“, geht nicht. Zusätzlich kann man als Arzt einer neuen Auszubildenden eine erfahrene Mitarbeiterin als Mentorin zur Seite stellen. Auch eine überbetriebliche Ausbildung ist heute wichtig. Einer Auszubildenden in einer Augenarztpraxis fehlt womöglich das Spektrum in der Allgemeinmedizin. Das Wissen kann man ihr überbetrieblich aber gut vermitteln.
Welche weiteren Tipps haben Sie?
Beck: Man sollte sich immer wieder darum kümmern, wie es der Auszubildenden geht, auch mal Rücksprache mit der Schule halten und z.B. beim Elternsprechtag dabei sein statt die Auszubildende „nebenher“ laufen lassen.
Wagner: Die gesamte Einstellung zum Personal hat sich in den letzten zwanzig oder dreißig Jahren verändert. Das Autoritäre, das man früher als Arzt in den Kliniken erlebt und später in der Praxis weitergegeben hat, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Damit kann man kein Personal gewinnen oder halten. Stattdessen sind Teamplayer gefragt. Man muss auf das Personal zugehen und eine gute Arbeitsatmosphäre schaffen. Das ist natürlich ein Lernprozess. Bei vielen jüngeren Kollegen ist das schon verankert. Auch die Älteren werden sich künftig an die neuen Bedingungen gewöhnen. Dadurch werden die Konflikte sicher auch geringer werden.
Wie kann der Beruf der MFA wieder attraktiver werden?
Beck: Die MFA ist eine zentrale Stelle in der ambulanten Versorgung. Daher braucht es gut ausgebildete und engagierte Mitarbeiterinnen. Ausbildungsberater können dazu beitragen, ein gutes Image des Berufs nach Außen zu tragen. Jede MFA, die zufrieden ist, erzählt das auf dem Schulhof und in ihrem Bekanntenkreis. Und das fördert wiederum die Bereitschaft, diesen schönen Beruf zu ergreifen. Auf der anderen Seite sorgt eine unzufriedene MFA auch für ein eher schlechtes Image.