149. Delegiertenversammlung des ÄKBV, MFA, Weiterbildung und Kindergesundheit
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Ohne Medizinische Fachangestellte (MFA) ist die Arbeit als niedergelassener Arzt oder Ärztin kaum möglich.
Daher brennt dieses Thema vielen Delegierten auf den sprichwörtlichen Nägeln – das wurde in der Diskussion um die Einrichtung eines neuen Ausschusses „MFA in der Zukunft“ sehr deutlich. Bei Fernsehsendungen, in denen immer noch von „Sprechstundenhilfen“ die Rede ist, am besten sofort auszuschalten, empfahl bei der DV Dr. Gabriel Schmidt, der für die Einsetzung des Ausschusses warb. MFA seien hoch qualifizierte und stark motivierte Mitarbeiter*innen, die viel für die tägliche medizinische Versorgung bei Niedergelassenen und teilweise auch in Kliniken leisten. Entsprechend sprach sich die Delegiertenversammlung mit großer Mehrheit für den Ausschuss aus. Ziele sind, die derzeitige Ausbildung zur MFA zu verbessern, den Beruf attraktiver zu gestalten und dadurch die Ausstattung von Arztpraxen mit gutem Fachpersonal zu sichern.
Große Zustimmung trotz eingehen- der Diskussion erhielt auch der Vor- schlag von Dr. Sonja Schniewindt und Dr. Sonja Mathes, einen Ausschuss zum Thema Weiterbildung einzurich- ten, um festzustellen, „wo es in der Weiterbildung hakt“ und was daran verbessert werden kann. Dazu plant der Ausschuss zum Beispiel konkret die Erfassung des Status Quo über einen Survey zur Entwicklung, Qualität und Zufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung. Auch Weiterbilder*innen sollen durch Vorschläge des Ausschusses künftig bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Bei den Ausschusssitzungen sollen medizindidaktische Grundlagen zur Wissensvermittlung oder Fortbildungen zu Fragen wie z. B. „wie gestalte ich meine Weiterbildungszeit?“ beleuchtet werden. Die Ausschussmitglieder möchten Feed-Back-Systeme für Weiterzubildende entwickeln und Best-Practice-Beispiele vorstellen. Mit der Bayerischen Lan- desärztekammer (BLÄK) möchten sie zur Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnung intensiv zusammenarbeiten.
Neu ist beim ÄKBV auch ein Ausschuss zum Thema Kindergesundheit, für den die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Sibylle von Bibra bei der DV warb. Insbesondere von vornherein gefährdete Kinder seien durch die Pandemie in ihrer Entwicklung stark zurückgeblieben. Einigen Studien zufolge könnten heute bis zu 47 Prozent der Zehnjährigen noch nicht sinnerfassend lesen. Gleichzeitig müssten durch den Fachkräftemangel oder wirtschaftliche Zwänge viele Kinderstationen schließen oder nähmen keine Kinder mehr auf. Der Ausschuss will sich künftig nicht nur mit Kinderpsychiatrie, sondern auch mit der somatischen Versorgung von Kindern beschäftigen. Dazu sind zum Beispiel Gespräche mit Institutionen wie Gesundheitsreferat, Jugendamt und Erziehungsberatungsstellen geplant.
Weiter geführt werden in dieser Wahlperiode die bereits bestehen- den Ausschüsse „Klimawandel und Gesundheit“ (früher: Frische Luft und gesunde Umwelt in München) sowie „Soziale und Menschenrechtsfragen“. Für den „Klimaausschuss“ stellte Dr. Katharina Jäger die künftigen Ziele vor: Der Ausschuss möchte die Nachhaltigkeit in Praxis und Klinik weiter stärken, z.B. beim Impfen und bei der Medikamentengabe. Auch für einen ökologischen Bau neuer Kliniken und für klimafreundlichere Praxen machen sich die Ausschussmitglieder weiter stark. Eine Klimasprechstunde müsse etabliert, nachhaltigere Ernährungsweisen für Patient*innen und Beschäftigte umgesetzt werden. Weiterhin gelte es, Luftbelastung und Lärm zu reduzieren und eine gute Kommunikation zum Thema Klimaschutz zu führen. Besonderen Wert legt der Ausschuss aktuell auf die Einführung von Hitzeschutzplänen in München.
Für den Menschenrechtsausschuss setzte sich ebenfalls Dr. Sibylle von Bibra ein. In ihrer Vorstellung machte sie sich besonders für die Rechte von Prostituierten stark, von denen viele Opfer von Menschenhandel sind, kaum Deutsch sprechen und keine Krankenversicherung haben. In der vergangenen Wahlperiode gab es hierzu auch eine ÄKBV-Veranstaltung sowie ein Interview (s. MÄA 02/2022). Die medizinische Versorgung von Geflüchteten, auch der neu Hinzugekommen, ist ein weiterer Schwerpunkt des etablierten Ausschusses. Von Bibra warb für eine psychiatrische Erstdiagnostik bereits in der Erstaufnahme, insbesondere bei Kindern, die „viel zulange in den Einrichtungen ohne weitere Förderung oder Schule bleiben müssen“ und deren seelische Gesundheit daher in Gefahr sei. Die aus der Ukraine neu hinzugekommenen Roma bräuchten besondere Beachtung. Sie seien häufig antiziganistischen Tendenzen ausgesetzt, ihre gesundheitliche Entwicklung dadurch gefährdet. Ein weiteres Ziel des Ausschusses ist es, aus afrikanischen Ländern hierher geflüchtete Frauen mit Genitalverstümmelungen angemessen gynäkologisch zu versorgen und ihre Töchter vor Genitalverstümmelung zu schützen. Die Zahl der Betroffenen in München habe deutlich zugenommen. Künftig will der Ausschuss auch die Gesundheit von Häftlingen in den Blick nehmen.
Die Diskussion um den Haushalt 2023 stand unter dem Eindruck der allgemeinen Teuerung in der Gesellschaft. Der ÄKBV trägt dem unter anderem durch den Umzug in kleinere Geschäftsräume und die Umstellung auf digitale Prozesse Rechnung – auch im Hinblick auf den Klimaschutz.
Stephanie Hügler
MÄA Nr 8/2023 vom 08.04.2023