Digitalisierung, Masernimpfpflicht und Ausbildungsreformen: Neue Gesetze in 2020
Foto: Deutscher Bundestag
Apps auf Rezept und Digitales
Die Digitalisierung in der Medizin schreitet 2020 weiter voran. Gemäß dem „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (DVG (deutsche Vertriebsge- sellschaft))“ sollen Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten ab in diesem Jahr Apps per Rezept verordnen können, die dann auch finanziert werden. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) denkt dabei unter anderem an Tagebücher für Diabetiker oder Apps zur Kontrolle eines Bluthochdrucks. Ob die Handyprogramme sicher, funktionell und qualitativ hochstehend sind, prüft das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM). „Die Hersteller müssen dann innerhalb eines Jahres nachweisen, dass die App die Versorgung verbessert“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium in einer Pressemitteilung. Damit die Patienten den Umgang damit und mit der elektronischen Patientenakte lernen, sollen die Krankenkassen sie außerdem darin schulen können, sie zu benutzen. Die Krankenkassen wiederum dürfen potentiell neuen freiwilligen Mitgliedern anbieten, auf elektronischem Weg Mitglied zu werden.
Auch Ärztinnen und Ärzte sollen künftig mehr digitale Dienstleistungen anbieten: Auf ihren Internetseiten dürfen sie beispielsweise Werbung für Videosprechstunden machen. Damit die IT-Sicherheit in Arztpraxen stimmt und die von der Selbstverwaltung vorgeschriebenen Sicherheitsstandards eingehalten werden, sollen Praxisinhaber zur Beratung dafür zertifizierte Dienstleister in Anspruch nehmen. Krankenhäuser können ihren Patienten auf elektronischem Weg den Abschluss von Wahlleistungen anbieten und sollen laut BMG die „elektronische Verordnung“ prüfen. Und schließlich soll auch die Wissenschaft profitieren: Von pseudonymisierten Abrechnungsdaten der Kostenträger, die Forschern anonymisiert zur Verfügung gestellt werden.
Refinanzierung der Pflegepersonalkosten
Neuerungen in diesem Jahr bringt auch unter anderem das „Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals“, das bereits Anfang 2019 in Kraft getreten ist. Es soll nach dem Wunsch des BMG Krankenhäusern dabei helfen, die Pflege zu verbessern und jede neue oder aufgestockte Pflegestelle finanzieren. Dafür soll ein in 2020 wirksames „zweckgebundenes Pflegebudget“ nach §6a KHEntgG Sorge tragen. Das Budget wird bzw. wurde meist bereits in 2019 zwischen Kliniken und Kostenträgern individuell vereinbart, die Fallpauschalen sollten dabei an die Kosten angepasst werden. Kliniken im ländlichen Raum erhalten darüber hinaus einen Zuschuss von 400.000 Euro pro Jahr.
Besonders pflegeintensive Bereiche bekommen seit 2019 schrittweise Personaluntergrenzen. Festgeschrieben sind sie für die Fachbereiche Neurologie, neurologische Frührehabilitation, Schlaganfalleinheit und Herzchirurgie.
Leiharbeit soll sich nach dem Willen der Bundesregierung nicht mehr lohnen, sondern nur im Ausnahmefall „eingekauft“ werden. Daher dürfen Kliniken dafür nur zahlen, was dem Tarif entspricht. Provisionen für die Vermittlung von Leiharbeitskräften unterstützen die Kostenträger nicht mehr (MDK-Reformgesetz).
Ausbildungsreform in der Pflege und bei Hebammen
Mehr junge Menschen für Pflegeberufe begeistern soll unter anderem das bereits in 2017 verabschiedete „Gesetz zur Reform der Pflegeberufe“. Es regelt, dass die Ausbildung kostenlos sein und ein Gehalt dafür gezahlt werden muss. Bücher und andere Lehrmittel dürfen ebenfalls nichts kosten. Außerdem sieht das Gesetz eine zumindest teilweise gemeinsame Ausbildung der bisher getrennten Berufe der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege vor. Zwei Jahre lang drücken die Auszubildenden gemeinsam die Schulbank, bevor sie sich im dritten Jahr entscheiden können, ob sie diese generalistische Ausbildung zur „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“ abschließen. Wer sich dagegen entscheidet kann nach wie vor den spezialisierten Abschluss in einem der drei Pflegebereiche machen.
Neue Ausbildungsregeln gelten künftig auch für Hebammen: Sie müssen künftig ein duales Studium absolvieren und es mit einer staatlichen Prüfung und einem Bachelor abschließen. Dazu studieren sie an einer Hochschule, haben aber auch hohe Praxisanteile. Rettungsassistentinnen und –assistenten können sich noch bis 2023 zu Notfallsanitäterinnen und –sanitätern ausbilden lassen.
Terminservicestellen
Die regionalen Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen existieren schon seit 2016. Doch ab diesem Jahr sollen sie im gesamten Bundesgebiet sieben Tage die Woche jeweils 24 Stunden lang erreichbar sein – unter der bundesweiten Nummer 116117. Das wurde im 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beschlossen. Künftig können Patienten Termine auch online oder per App ausmachen. Terminservicestellen dürfen neuerdings außerdem auch während der Öffnungszeiten von Arztpraxen und Notfallambulanzen Patienten in Kliniken ankündigen und Termine für sie vereinbaren.
Bereits seit Mai 2019 müssen Haus-, Kinder- und Jugendärztinnen und – ärzte ihre freien Termine bei den Servicestellen melden. Die Servicestellen wiederum sind verpflichtet, Versicherte bei der Suche nach diesen Fachärzten zu unterstützen. Psychotherapeutische Akutbehandlungen müssen ab diesem Jahr innerhalb von zwei Wochen statt vorher in vier vermittelt werden.
MDK, Implantate, Hepatitis C
Neue Vorschriften erhalten auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in 2020. Damit die MDKs möglichst unabhängig von den Kostenträgern agieren, werden sie zu eigenständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und unterliegen einheitlichen Regelungen. Kontrollen in Krankenhäusern sollen die MDKs seltener, aber effektiver durchführen. Grundlage dafür ist das „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen“ (MDK-Reformgesetz).
Auch die Facharztweiterbildung steht im Fokus dieses Gesetzes: Die Weiterbildung von Kinder- und Jugendärzten soll gefördert werden – mindestens 250 von insgesamt 2.000 Stellen sollen jährlich für diese ambulante fachärztliche Versorgung zur Verfügung stehen. Um berufstätige, alleinerziehende oder sich weiter qualifizierende Studentinnen und Studenten zu unterstützen soll eine studentische Krankenversicherung künftig auch nach dem 14. Fachsemester möglich sein.
Der G-BA bekommt neue Fristen: Nur zwei statt wie bisher drei Jahre darf es dauern, bis er neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden geprüft hat. Diese Prüfungen kosten Geld. Daher wird der Innovationsfonds bis 2024 jährlich mit 200 Millionen Euro finanziert.
Frauen, die in der ehemaligen DDR bei einer Immunprophylaxe mit Hepatitis C infiziert wurden, erhalten durch das geänderte „Anti-D-Hilfegesetz“ weiterhin eine monatliche Rente.
Skandale rund um fehlerhafte und schädliche Implantate in den vergangenen Jahren haben das Bundesgesundheitsministerium zu diesem Thema auf den Plan gerufen. Ein Implantat-Register soll aufgebaut werden, das möglichst umfassend Aufschluss über Risiken und Komplikationen verschiedener Produkte gibt. Chemikalien wie das als schäd- lich anerkannte Bisphenol A (BPA) dürfen laut einer EU-Verordnung künftig nicht mehr in Kunststoffen, Kleidern oder Kassenbons verwendet werden, da BPA das Hormonsystem beeinflusst. Aus dem gleichen Grund dürfen teilweise schon seit längerem die Weichmacher bzw. Phtalate DEHP, DBP, BBP und DIBP nur noch in geringen Mengen in Alltagsprodukten vorkommen. Strengere Grenzwerte bei der Kontrolle von Textilien gibt es auch für Stoffe wie Cadmium, Chrom, Arsen, Blei und Benzol.
Masernimpfpflicht
Die Masernimpfpflicht gilt ab dem 1. März 2020 – für Kinder, die neu eine Kindertagesstätte, Schule oder andere Einrichtung für Kinder besuchen und für ihre Betreuerinnen und Betreuer bzw. Tagesmütter, die nach 1970 geboren sind. Auch Pflegekräfte sind gesetzlich verpflichtet, sich impfen zu lassen. Eltern von Kindern, die bereits länger eine solche Einrichtung besuchen, haben etwas mehr Zeit: Sie müssen erst bis zum 31. Juli 2021 nachweisen, dass sie geimpft sind.
Schutz vor Konversionsbehandlungen - Mitte 2020
Bereits vom Bundeskabinett beschlossen wurde auch ein Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen z.B. bei Homo-, Bi- oder Transsexualität. Verboten werden sollen „Medizinische Interventionen, die darauf gerichtet sind, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken (sogenannte Konversionstherapien)“. Damit sollen solche Behandlungen bei Minderjährigen generell verboten werden. Das Gleiche gilt bei „Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel (z.B. Zwang, Drohung, Täuschung, Irrtum) beruht.“ Zum Beispiel, weil sie nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufgeklärt wurden. Auch das öffentliche, bei Minderjährigen auch das nichtöffentliche, Werben, Anbieten und Vermitteln von solchen Behandlungen soll verboten werden. Bei Verstößen drohen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder ein Bußgeld bis zu 30.000 Euro. Bei „gröblicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sollen dem Gesetzentwurf zufolge auch Eltern und Erziehungsberechtigte bestraft werden können. Seelsorgerische und psychotherapeutische Gespräche sind nur dann betroffen, wenn ein Gesprächspartner darin „zielgerichtet“ auf die sexuelle Orientierung oder die selbst empfundene geschlechtliche Identität Einfluss nimmt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll ein Beratungsangebot für Betroffene und Angehörige machen und für Personen, die sich beruflich mit dem Thema befassen und dazu beraten.